Kapitel 34

Kapitel 34 ~ „Hua Che, denke gar nicht erst an eine Flucht!“

 

Lu Mingfeng kämpfte im Alleingang gegen die drei Sektenführer Mu Qinian, Chu Changfeng und Xie Wanting. Später schlossen sich auch die Kultivierenden aus der Chiyao-Sekte und der Wuji-Schwertsekte dem Kampf an. Als dann auch noch der Älteste Qianyang mitkämpfte, welchem Unrecht getan worden war und welcher sich daraufhin gegen Lu Mingfeng wendete, war das Ergebnis offensichtlich.

Hua Che machte sich keine Sorgen um den Kampf im geheimen Reich. Momentan war ihm schwindelig, er fühlte sich schwach und er hatte noch nicht einmal die Energie, Chu Binghuan “Lass mich runter” zu sagen, weshalb er sich von ihm tragen ließ.

In nur einem halben Tag hatte sich die Geschichte, was im geheimen Reich passiert war, in der gesamten unsterblichen Sekte Shang Qing verbreitet und alle Schüler waren überaus schockiert.

Die Kultivierenden, welche am Wanmen-Kampfsportturnier teilgenommen hatten, spürten ihren Glauben in sich zusammenbrechen. Der unsterbliche Herr, welchen sie immer zutiefst bewundert hatten, war ganz anders, als sie ihn sich immer vorgestellt hatten. Am Anfang waren sie überrascht, dann enttäuscht und am Ende äußerst frustriert.

Das Gefühl, von jemanden betrogen zu werden, war nicht sonderlich angenehm. Die zehntausend Schüler waren fuchsteufelswild, umstellten den Shang Qing Pavillon und warteten darauf, dass Lu Mingfeng herauskam, damit sie seinen Körper in eintausend Teile zerlegen konnten!

Chu Binghuan trug Hua Che in den Saal, in welchem sich der Ling Xiao Tempel zur Zeit aufhielt. Nachdem sie an dem Blumentor vorbeigegangen waren, schlang Hua Che, welcher immer auf Distanz geblieben war, plötzlich energisch seine Arme um Chu Binghuans Hals. Er legte seinen Kopf auf dessen Schulter und schmiegt sich innig an ihn.

Chu Binghuans ganzer Körper erzitterte.

Hua Che sprach direkt in sein Ohr. „Halte dich gut fest. Wie kannst du einen großen, dicken Jungen für mich zur Welt bringen, wenn die Sklavenfamilie niedergeworfen wird?”

Chu Binghuan geriet ins Stocken.

Er berührte Hua Ches Stirn und wie erwartet war der andere Jugendliche glühend heiß.

Diese Person fing bei Fieber jedes mal an, Blödsinn zu reden und gab unzusammenhängende Worte von sich.

Chu Binghuan legte Hua Che auf das Bett, zog die Decke nach oben und legte sie über ihn. Das Fieber war so stark, dass Hua Che beinahe ohnmächtig wurde und schon bald einschlief.

Er sah viele Menschen. Darunter auch Lu Mingfeng mit einem finsteren Lächeln, Lu Yao, welcher mit aller Kraft schrie, einen exzentrischen Yin Wuhui und sein Kindermädchen, welches ihn trotz großer Schmerzen mit einem sanften Lächeln tröstete und Tränen in den Augen hatte.

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Nach der Katastrophe mit der unsterblichen Sekte Shang Qing war Hua Che der Kritik der anderen Sekten ausgesetzt und konnte sich kein Stück verteidigen.

Er gab auf. Letzten Endes unterschied er sich von ihnen. Er hatte versucht, die Missverständnisse auf friedliche Art und Weise zu lösen und bei ihnen zu bleiben, aber wenn er jetzt darüber nachdachte, war er zu naiv gewesen.

Yin Wuhui hatte das bereits erwartet. Seine Stimme war voller Mitgefühl, aber sein Gesichtsausdruck voller Schadenfreude. „Wie kommt es, dass sich der Sohn des Dämonenkönigs mit den Unsterblichen verstehen möchte? Bist du mit ihrer Reaktion zufrieden? Bist du noch immer nicht bereit, trotz deiner aktuellen Situation aufzugeben?”

Yin Wuhui redete viel auf ihn ein und versuchte ihn dazu zu bringen, in der Fen Qing Palasthalle zu bleiben, damit Vater und Sohn zusammenarbeiten und große Erfolge erzielen konnten.

Hua Che lachte, als er das hörte. „Ich wiederhole mich nur. Du hast dir keine Mühe gegeben und denkst dennoch, dass du einen Sohn umsonst bekommen kannst. Nichts auf der Welt ist so billig”

„Nachdem du dich so für mich eingesetzt hast, möchtest du noch immer nicht bleiben?”, entgegnete Yin Wuhui. „Sie behandeln dich so schlecht und dennoch gibst du nicht auf?”

„Gib es auf, mich überreden zu wollen”, sagte Hua Che leichthin. „Hat das irgendetwas mit dir, dem Dämonenkönig zu tun? Wie kann ich Hoffnungen in den dämonischen Weg setzen, wenn ich aufgehört habe, sie in den unsterblichen Weg zu setzen? Meine Mutter hat gesagt, dass mein Name ‘rein’, ‘durchsichtig’ und ‘unbefleckt’ bedeutet und mein Gemüt so frei und weitreichend sein soll, wie der große, offene Himmel, ohne dunkle Wolken oder beunruhigenden Regen und immer sanft und warm. Selbst, wenn Himmel und Erde mich nicht ertragen können und selbst, wenn mich hunderte Sekten der Unsterblichen angreifen wollen, werde ich niemals mit solchen blutrünstigen dämonischen Kultivierenden wie dir zusammenarbeiten!”

Hua Che ging.

Er wollte sich nicht mit Yin Wuhui verbünden und konnte nicht weiter den unsterblichen Weg bestreiten. Hua Che dachte darüber nach, was er in Zukunft machen sollte.

Da er ohnehin von der unsterblichen Sekte Shang Qing ausgeschlossen worden war, konnte er genauso gut in die Welt der Sterblichen zurückkehren, um sein Kindermädchen und alle anderen in der Betrunkenen Taverne wiederzufinden. Er würde sein weiteres Leben lang essen, trinken und Spaß haben. Nach etwa zwanzig oder dreißig Jahren würde sein Kindermädchen aufgrund des Alters sterben und er würde ihr eine Beerdigung schenken. Dann würde er sich zurückziehen, ein wunderschönes Paradies finden und gelegentlich als Kultivierender arbeiten. Wenn er Glück hätte, könnte er nach einhundert Jahren des Trübsal blasens vielleicht zu einem Unsterblichen aufsteigen!

Hua Che hatte das Ganze gut durchdacht. Obwohl diese unsterblichen Kultivierenden ihn so sehr hassten, dass sie ihn anschrien und töten wollten, würden sie ihn nicht finden können, solange er sie nicht provozierte und sich in einer unscheinbaren Ecke versteckte.

Warum sollte er sie provozieren und sich nicht verstecken?

Was Hua Che jedoch nicht erwartet hatte, war, dass auch wenn er sie nicht provozierte, sie sich beeilen würden, ihn zu provozieren.

Hua Che kehrte nach Hangzhou zurück, aber sobald er die Stadt betrat, hörte er die Menschen am Eingang der Stadt miteinander flüstern. Sie sagten so etwas wie „Das ist erbärmlich”, „Sie wurden ausgeraubt”, „Es ist alles voller Blut. Das ist beängstigend” und so weiter. Hua Che hatte eine schreckliche Vorahnung.

Innerhalb eines Augenblicks kam er bei der Betrunkenen Taverne an und war von der Szenerie, welche sich im zeigte, vollkommen entsetzt.

Überall war Blut.

Jede Stelle, welche er betrachtete, war mit Blut bedeckt und Leichen lagen überall im Haus: im Hinterhof, auf den Treppen oder auf kaputten Tischen, Stühlen und Bänken. Einige der Blutflecken waren Spritzer, andere waren aus fließendem Blut entstanden, ein paar waren eingetrocknet und schwarz und manche leuchteten noch in flüssigem Rot...

Die gesamte Betrunkene Taverne war von dem Geruch von Blut erfüllt. Es gab kein Jammern oder Schreie, sondern nur Totenstille und einen Hauch von Verzweiflung, welcher in der Luft lag.

Das ganze Gebäude war im Rausch des Mondes getränkt und noch nicht einmal die Hühner oder Hunde waren verschont geblieben.

Hua Ches Körper zitterte unkontrolliert. Er trat steif nach vorne und betrachtete die Leichen eine nach der anderen. Es gab Frauen, Helfer, Handwerker und Köche.

Einhundertachtunddreißig Menschen und alle waren tot.

Wer hatte das getan? Wer war der Mörder?

War es Yin Wuhui? Weil er seiner Bitte nicht nachgekommen war, hatte er seine Wut an allen in der Betrunkenen Taverne ausgelassen?

Hua Che fühlte sich, als würde ihm immer wieder ins Herz gestochen werden.

Auf einmal hörte er ein Geräusch, welches vom Boden ausging.

Hua Che erschrak. Er blicke nach unten und erkannte, dass die Person zu seinen Füßen noch immer am Leben war. Es war... eine Frau?!

Unter den Leichen im Hinterhof befanden sich tatsächlich noch lebende Menschen. Hua Che war überglücklich und half der Frau schnell auf. „Wer hat das getan? Sag mir, wer dafür verantwortlich ist!”

Die Augen der Frau waren weit geöffnet und sie vergoss blutige Tränen. Ihr Blick war trüb und ihr Körper regungslos.

Obwohl sie noch nicht tot war, konnte sie auch nicht als lebende Person angesehen werden. Es war nur noch ein kleiner Teil ihres spirituellen Bewusstseins übrig, welches sich noch nicht aufgelöst hatte. Hua Che schloss es schnell ein und griff darauf zu.

Als er die Geschehnisse aus der Sicht der Frau beobachtete, erkannte er einen bestimmten, berühmten Schüler einer Sekte der Unsterblichen, welcher Miao hieß.

„Sagt es mir! Wo ist dieses Biest Hua Qingkong? Übergebt ihn uns schnell. Wenn ihr ihn versteckt, werdet ihr desselben Verbrechens beschuldigt wie Hua Qingkong!”

Die Frau hatte fürchterliche Angst durch diese Situation bekommen. Mehrere Kultivierende einer Sekte der Unsterblichen waren durch die Tür gebrochen. Ihrer Kleidung nach zu urteilen waren sie von einer riesigen Gruppe Kultivierender aus jener Sekte umstellt.

„Was? Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie sprechen. Ist dieses Kind nicht ein Schüler der unsterblichen Sekte Shang Qing geworden? Warum gehen Sie nicht zur unsterblichen Sekte Shang Qing und fragen dort nach ihm? Was hat das mit mir zu tun?”

Viele der Mädchen zitterten und versteckten sich hinter der älteren Frau. Sie riefen: „Das stimmt. Wir sind alle Sterbliche. Es macht keinen Sinn, dass sie in die Häuser anderer eindringen und uns auf diese Weise bedrohen!”

Miao Sheng erwiderte: „Tut verdammt nochmal nicht so, als wüsstet ihr von nichts. Hua Che hat die unsterbliche Sekte Shang Qing mit Blut bedeckt. Es hat ihm nicht gereicht, Sektenführer Lu aus Verzweiflung zu töten, weshalb er urplötzlich auch fünftausend Schüler getötet hat. Wir werden diese Blutschuld im Namen des unsterblichen Herrn Lu Yao auf jeden Fall eintreiben und diesen Mörder in Stücke reißen!”

„Unmöglich!” Eine Kurtisane, welche die Treppe hinunterlief, rief: „Sie müssen sich irren! Che’er würde auf keinen Fall jemanden töten!”

Die anderen Mädchen nickten. „Ja, wir haben alle dabei zugesehen, wie dieses Kind aufgewachsen ist. Wie könnten wir seinen Charakter nicht kennen?”

„Hier muss ein Missverständnis vorliegen! Das ist ungerecht!”

„Ihr müsst überaus hinterlistig sein, wenn ihr für diesen Mörder Partei ergreift”, entgegnete Miao Sheng „Seid ihr etwa auf der gleichen Seite?!”

Die Gesichter der Mädchen wurden blass. „Unsterblicher Meister, bitte redet keinen Unsinn!”

„Unsinn? Ich weiß, dass Hua Che als Kind obdachlos war und nichts zu essen hatte. Ihr habt alle dem Sohn einer Prostituierten geholfen, oder? Aber wisst ihr, wer sein leiblicher Vater ist? Es ist der blutrünstige Dämonenkönig, welcher wahllos unschuldige Menschen tötet! Haha, das wusstet ihr, oder? Ihr habt den Sohn des Dämonenkönigs beschützt und jetzt, nachdem er etwas angestellt hat, versucht ihr noch immer ihn zu verteidigen. Glaubt ihr wirklich, dass wir so dumm sind?”

„Kommt schon! Hua Che ist ein Dämon und alle hier stehen auf seiner Seite! Wenn wir sie jetzt nicht beseitigen, werden sie Hua Che in Zukunft sicherlich helfen und der Welt Schaden zufügen!”

Sie waren alle Sterbliche ohne jegliche Kraft. Wenn ein Kultivierender sie töten wollte, wäre es einfacher als eine Ameise zu zerquetschen.

Was als nächstes zu hören war, waren heisere und mitleiderregende Schreie, sowie Wehklagen, welches den Himmel erschütterte. Blut überschwemmte immer wieder die Fliesen und jeder einzelne der bis dahin lebenden Menschen verwandelte sich in eine Leiche.

„Töte diese alte Frau nicht! Lass sie am Leben, um Hua Che herzulocken und ihn umzubringen!”

Frau Jiang, welche ursprünglich unter dem Tisch gekauert und gezittert hatte, bekam urplötzlich den Mut, sich auf das Schwert des Kultivierenden zu stürzen, sobald sie das hörte. Wenn der Kultivierende nicht so schnell reagiert hätte, hätte die Kraft des Schwerts den Kopf von Frau Jiang abgetrennt.

„Verdammt! Du alte Schachtel! Du willst nicht als Geisel genommen werden, also rennst du freiwillig in den Tod?” Der Kultivierende legte sein Schwert zur Seite, packte Frau Jiang an den Haaren und zog sie nach oben. „Dein junger Herr hat aus Verzweiflung wie ein Wahnsinniger so viele Menschen getötet. Es wäre nur richtig, ihn zu Asche zu zermalmen! Und du, die diesen Sünder und Sohn des Dämonenkönigs unterstützt, bist ebenfalls dieses abscheulichen Verbrechens schuldig! Sobald wir Hua Che lebend in Stücke gerissen haben, werden wir dich ebenfalls in die Unterwelt schicken, damit du ihm dort Gesellschaft leisten kannst!”

Das spirituelle Bewusstsein der Frau löste sich vollständig auf und sie starb mit offenen Augen.

Hua Che stand zitternd auf, stolperte jedoch über etwas, was zu seinen Füßen lag und mit Blut befleckt war. Er rannte verzweifelt zum Hinterhof und fand eine Wand, an der die Worte “Shang Qing Arena” geschrieben standen.

Sie hatten Frau Jiang zur Shang Qing Arena gebracht, um eine Zeremonie abzuhalten, bei welcher sie Lu Mingfeng und die Seelen der anderen toten Schüler mit dem Blut von Hua Che und seinem Kindermädchen ehren wollten.

Hua Che kehrte auf seinem Schwert zur unsterblichen Sekte Shang Qing zurück. Am Fuße des Kunlun-Berges wartete der älteste Schüler von Lu Mingfeng auf ihn. Er trug Trauerkleidung aus Leinen und starrte Hua Che wütend an. Schnell schnappte er sich einen Bambuskorb voller Papiergeld und warf es energisch in die Luft. „Knie dich hin und laufe auf deinen Knien den Berg hinauf!”

Die uralten Bergwege waren uneben und die unsterbliche Sekte Shang Qing befand sich zufälligerweise auf dem höchsten Gipfel des Kunlun-Berges. Es war bereits schwer, den Berg zu Fuß zu erklimmen, geschweige denn auf Knien hinaufzulaufen.

„Ich soll auf Lu Mingfeng knien?”, spottete Hua Che und ein kaltes Licht leuchtete in seinen Augen.

„Knie vor dem Meister und den fünftausend Schülern nieder, welche du getötet hast!” Der ältere Schüler war von Hass erfüllt und er zitterte am ganzen Körper. „Deine alte Sklavin wartet in der Shang Qing Arena auf dich!”

Das Leben seines Kindermädchens stand auf dem Spiel. Egal wie viel Hass er in sich trug und egal, wie viele Beleidigungen er ertragen musste, er musste es tun.

Er kniete sich hin und lief von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang den Berg hinauf. Als er in der Shang Qing Arena ankam, war sein kompletter Unterkörper blutüberströmt und seine Knie sahen wie zerquetschte Wassermelonen aus. Er versuchte aufzustehen, knickte aber aufgrund der Schmerzen wieder ein.

Er hatte keine Zeit, sich um seine Schmerzen zu kümmern, denn sowohl sein Körper als auch sein Geist waren voll und ganz auf sein Kindermädchen fokussiert.

Diese kniete gefesselt in der Mitte der Arena. Ihr Oberkörper war zusammengebunden, ihre Arme hinter ihrem Rücken festgebunden und die Seile waren um ihren Hals geschlungen. Auf ihrem Körper waren unzählige kleinere und größere Verletzungen zu sehen. Hua Che wusste nicht, wie viel sein Kindermädchen auf dem Weg hierher gelitten hatte.

Er hatte das Gefühl, als würde ein Feuer in seinem Körper brennen, welches immer stärker wurde und kurz davor war, seine Organe auszubrennen.

„Junger Herr...”, sagte Frau Jiang und brach in Tränen aus.

Die Shang Qing Arena war überaus lebhaft. All die Kultivierenden, welche für das Massaker in der Betrunkenen Taverne verantwortlich waren, waren hier und trugen wie jeder andere Schüler Trauerkleidung aus Leinen. Sie starrten Hua Che alle mit traurigen und wütenden Augen an, welche voller Hass, Ekel, Bitterkeit und Übelkeit waren.

„Wie oft muss ich noch sagen, dass ich die fünftausend Schüler der unsterblichen Sekte Shang Qing nicht getötet habe?!”, rief Hua Che. „Wenn ihr Rache wollt, dann geht zur Fen Qing Palasthalle und sucht Yin Wuhui! Was haben die unschuldigen Menschen aus der Betrunkenen Taverne damit zu tun?!“

Ein Schwert-Kultivierender mit dem Namen Zhang Shan schimpfte: „Selbst, wenn das, was du gesagt hast, wahr ist und Yin Wuhui derjenige war, der sie alle umgebracht hat, was ist dann? Wäre deine Unschuld damit bewiesen? Der Sohn zahlt die Schulden seines Vaters zurück, also solltest du für all die Sünden von Yin Wuhui aufkommen!”

Die Schulden des Vaters sollten vom Sohn zurückgezahlt werden?

Nur weil er Yin Wuhuis Blutlinie geerbt hatte, hatte er es verdient, dieses Elend zu erleiden und aus diesem Grund hatte die Betrunkene Taverne mit hineingezogen werden dürfen?

Hua Che lächelte ein Lächeln, welches Herz und Seele zerreißen konnte. „Wird mir damit nicht Unrecht getan? Ihr seid zu Recht wütend. Ob ihr mich nun in Stücke schneidet oder zu Asche zermalmt, ich möchte euch etwas fragen: Habe ich eure Eltern oder eure ganze Familie abgeschlachtet?”

Ein älterer Kultivierender schloss die Augen und erwiderte: „Wenn eine Mücke an dir vorbeifliegt, dich aber nicht sticht, willst du sie dennoch töten”

Hua Ches Augen wurden allmählich trüb und flossen vor Trostlosigkeit und Sarkasmus beinahe über. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben und sorgten dafür, dass seine blutleeren Lippen ein arrogantes Lächeln zeigten. „Ich verstehe. Alleine, dass ich geboren wurde, ist eine Sünde und für diese Sünde muss ich sterben. Selbst, wenn der Vorfall mit Lu Mingfeng und den fünftausend Schülern nicht passiert wäre, müsste ich noch immer sterben!”

Der Sohn des Dämonenkönigs war so talentiert, dass alle eifersüchtig waren und deshalb planten, ihn aus dem Weg zu räumen.

Es war nicht so, dass sie ihn hassten, sondern vielmehr so, dass sie Angst hatten.

Sie hatten Angst davor, dass Hua Che – der Schüler, welcher dreimal hintereinander das Wanmen-Kampfsportturnier gewonnen hatte – der Fen Qing Palasthalle beitreten und Yin Wuhuis rechte Hand werden würde. Wie könnten die Menschen auch keine Angst davor haben?

Hua Che lachte jämmerlich und seine Augen waren so wahnsinnig und unheimlich wie nie zuvor. „Wenn du in Zukunft Probleme vermeiden möchtest, komm einfach und töte mich. Die ganze Betrunkene Taverne und mein Kindermädchen, sie waren alle unschuldig!”

Die Kultivierenden schienen auf diese Worte nur gewartet zu haben und brüllten wütend: „Die fünftausend Schüler von Shang Qing waren unschuldig! Diese Leute aus der Taverne haben dich beschützt, wie Schlangen und Mäuse gehandelt und es verdient, für diese Verbrechen bestraft zu werden!”

„Das ist die Rache an mir, richtig? Ihr zerstört meinen Rückzugsort und tötet die Menschen, welche ich respektiere und liebe” Hua Che lächelte wütend.

Das war der unsterbliche Weg?!

Das war die berühmte Sekte, welche von jedermann gelobt wurde?!

Lu Yao, welcher zuvor lange bettlägerig gewesen war, half ihnen schließlich und rief mit heiserer Stimme: „Hua Che, welcher aus der unsterblichen Sekte Shang Qing verstoßen wurde, war so ehrgeizig, dass er seinen Meister verraten, seine Vorfahren enttäuscht und sogar mit der Fen Qing Palasthalle zusammengearbeitet hat, um fünftausend Schüler der unsterblichen Sekte Shang Qing zu töten. Sein Verbrechen ist so abscheulich, dass es mit dem Tod bestraft werden muss!”

In der Arena der unsterblichen Sekte Shang Qing gab es zwei uralte, magische Formationen. Die erste war dafür da, das Eindringen dämonischer Kultivierender zu verhindern und die zweite diente dazu, die Sekte gezielt vor den Schülern zu reinigen, welche abscheuliche Verbrechen begangen hatten und denen nicht vergeben werden konnte.

Ein alter Kultivierender zog sein Schwert, legte es Frau Jiang an den Hals und drohte mit kalter Stimme: „Hua Che, denke gar nicht erst an eine Flucht!”

Hua Che, welcher versucht hatte, sich aus der Shang Qing Arena zurückzuziehen, hielt inne.

Unerwarteterweise lächelte Frau Jiang, welche bisher leise geweint hatte, plötzlich warm und freundlich. „Junger Herr, ich vermisse das kleine Mädchen, weshalb ich Euch nicht länger begleiten kann”

Sobald sie das gesagt hatte, ergriff Frau Jiang die Initiative und warf sich gegen die Klinge des Schwerts, woraufhin Blut durch die Luft spritzte!

„Nein!” Hua Che wurde blass vor Entsetzen. Ohne auf die Aktivierung der Formation zu achten, rannte er auf Frau Jiang zu und tötete den alten Kultivierenden mit nur einer Handbewegung.

Blut verteilte sich über den ganzen Boden und bedeckte seinen Körper.

Obwohl sich der Schmerz durch ihre Knochen bohrte, lächelte Frau Jiang noch immer. Sie hob langsam ihre Hand und berührte sanft Hua Ches Gesicht. „Junger Herr, weint nicht... Ich werde das kleine Mädchen suchen gehen...”

Spirituelle Energie strömte von Hua Ches Handflächen in den Körper seines Kindermädchens, aber es war wie ein Tropfen auf einem heißen Stein, welcher sofort verdampfte und keine Spuren hinterließ.

Die alte Formation wurde aktiviert, aber Hua Che verspürte keinen Schmerz. Das Herz in seiner Brust war blutleer und verwandelte sich in einen leblosen Gegenstand, welcher in Stücke zerbrach und ein leeres, blutiges Loch zurückließ.

„Ja”, antwortete Hua Che leise.

Frau Jiangs Seele fing an, sich aufzulösen. Sie berührte wehmütig Hua Ches Gesicht und sagte mit einem Lächeln: „Jeder aus der Betrunkenen Taverne ist... ist auch auf dem Weg dorthin. Ich bin nicht alleine. Außerdem steht Eure Mutter am Ende des Weges”

„Ja”

„Es spielt keine Rolle, dass sie Euch nicht glauben. Ich glaube Euch. Ich habe mich so viele Jahre um Euch gekümmert. Ich war auch diejenige, welche Euch entbunden hat. Ich kenne Euch...”

Als er ein Kind war, hatte Hua Che seine Mutter einmal über sein Kindermädchen reden hören.

Frau Jiang war ebenfalls eine unglückliche Person. Sie war in jungen Jahren von ihrem Adoptivvater an eine Theatergruppe verkauft worden und später in das Bordell gezogen. Da sie nicht schön genug gewesen war, hatte sie keine Prostituierte, sondern nur ein Dienstmädchen werden können.

Dreißig Jahre später war Hua Mei’er zu dem Bordell gekommen und Frau Jiang war damit beauftragt worden, sich um ihr Essen, ihre Kleidung und ihr tägliches Wohl zu kümmern.

Frau Jiang hatte Verständnis für Hua Mei’ers frühere Erfahrungen gehabt und ihren Charakter bewundert. Sie waren viele Jahre zusammen gewesen und nachdem Hua Mei’er schwanger geworden war, war Frau Jiang mit ihr davongelaufen.

Die darauffolgenden Tage waren wirklich miserabel gewesen. Sie hatten all ihre Ersparnisse dafür aufgebraucht, sich freizukaufen, weshalb sie sich noch nicht einmal eine Hebamme leisten konnten. Daraufhin hatte Frau Jiang geübt und Hua Mei’ers Baby schließlich ungeschickt selbst entbunden.

Sie hatte Hua Che mit ihren eigenen Händen zur Welt gebracht, seine Nabelschnur durchtrennt, ihn gebadet, umgezogen und in Windeln gewickelt.

Nach Hua Mei’ers Tod hatte Frau Jiang Hua Che nicht im Stich gelassen. Sie hatte schwere Arbeit und Gelegenheitsjobs verrichtet, um Hua Che von ihrem Hungerslohn Fleisch zu kaufen und seinen Magen zu füllen. Um Geld zu sparen, hatte sie nur ein gedämpftes Brötchen am Tag gegessen und wenn ihr Hunger unerträglich geworden war, hatte sie Wasser getrunken, um ihren Hunger zu stillen.

Eine alte Frau hatte das einmal nicht mehr mit ansehen können und gefragt, ob Frau Jiang für ihre Beerdigung Geld sparen würde.

Frau Jiang hatte freundlich gelächelt und mit Sehnsucht in den Augen gesagt: „Das Geld ist für meinen jungen Herrn, damit er eine Frau heiraten kann. Er hat keine andere Familie, durch deren Hilfe er aufrecht vor anderen Familien stehen kann”

Frau Jiang hatte noch nie geheiratet und auch nie eigene Kinder bekommen.

Sie hatte Hua Che als ihren leiblichen Sohn betrachtet und sich mit Leib und Seele um ihn gekümmert. Frau Jiang hatte bei Essen und Kleidung gespart und hart gearbeitet, um Geld anzusammeln, aus Angst, dass andere auf ihren jungen Herrn herabsehen würden.

Während Hua Che durch die Gegend gesprungen war, war Frau Jiang tatkräftig dabei gewesen, jede grobe und schwere Arbeit zu verrichten. Wenn Hua Che krank im Bett gelegen hatte, war sein Kindermädchen zwei Tage und Nächte durchgehend wach geblieben, um sich neben dem Bett um ihn zu kümmern. Von Zeit zu Zeit hatte sie sich ihre Tränen der Verzweiflung weggewischt und zu Gott und Buddha gebetet, dass sie Hua Che dabei helfen würden, wieder gesund zu werden.

Als sie erfahren hatte, dass ihr junger Herr ein Schüler der unsterblichen Sekte Shang Qing geworden war, war sie äußerst aufgeregt gewesen und von Haus zu Haus gegangen, weil sie befürchtet hatte, dass die Leute nicht wissen würden, wie viel Erfolg ihr junger Herr in Zukunft haben würde.

„Hör auf zu reden und ruh dich aus!” Frau Jiangs Körper wurde immer kälter und Hua Che umarmte sie unbewusst noch stärker.

„Vergesst nicht, was Eure Mutter Euch gesagt hat” Sein Kindermädchen sah in den Himmel und ihre Augen verloren allmählich an Glanz. „Rein und durchsichtig, unbefleckt und ohne die kleinste Staubschicht. So frei und weitreichend wie der große, offene Himmel, ohne dunkle Wolken oder beunruhigenden Regen und immer sanft und warm”

Als der letzte Rest von Hua Ches spiritueller Energie verbraucht war, schloss sein Kindermädchen lächelnd die Augen.

Alles war still.

Es war weg. Es war alles weg!

Was war Freiheit? Woher sollte die Freiheit kommen, wenn sie nicht weitreichend war?

Was sollte sanft und warm sein? Alles, was er sah und hörte, war Boshaftigkeit und Gewalt! Über ihm hingen dunkle Wolken, welche einen blutigen Sturm brachten und seine Stimmung war grauenhaft!

Warum?!

Jeder in der Betrunkenen Taverne war unschuldig gewesen! Das war ungerecht!

Frau Jiang hatte ihn seit seiner Kindheit alleine aufgezogen und nicht einmal ein paar Jahre des Glücks gehabt. Letzten Endes wurden sie in diese Angelegenheit verwickelt und starb in einem fremden Land auf tragische Art und Weise.

Die Hoffnungen in Hua Ches Herzen verschwanden nach und nach und die Gedanken in seinem Herzen brachen Stück für Stück zusammen!

Überall am Himmel türmten sich dunkle Wolken auf und schließlich fing es an, heftig zu regnen. Donner und Blitz erschienen gleichzeitig und die uralte Formation verschlang Hua Che vollständig.

Obwohl sein Körper tot und seine Knochen verschwunden waren, hielten sein unvergesslicher Hass und seine Abneigung seine Seele am Leben.

Er fiel in das Geisterreich. Dem Ort, an den tausende tote Seelen zurückkehrten.

Alle sagen, dass das Geisterreich ein dunkler und blutiger Ort war, weil sie ihn noch nie gesehen hatten. Wenn sie wirklich einmal in dem Geisterreich gewesen wären, hätten sie erkannt, dass es das reinste Fegefeuer war.

Der Himmel war pechschwarz und der Boden rot durch das Blut, welches sich seit Jahrhunderten angesammelt hatte.

Hier gab es kein Licht, der Gestank der Verwesung lag in der Luft und man lief über gebrochene Knochen und Überresten von Seelen.

Der Himmel war mit unzähligen bösen Geistern gefüllt, welche wie verrückt tobten. Sie feierten, brüllten vor Aufregung und mit jedem neuen Geist, welcher hineinströmte und den sie willkommen hießen, wurden sie noch aufgedrehter.

Die neuen Geister waren ihre neuen Opfer.

Das Geisterreich hatte seine eigenen Überlebensregeln. In sieben Tagen konnten sie wiedergeboren werden, aber dafür mussten sie diese sieben Tage auf jeden Fall überleben.

Es war nicht wie in den Märchen, welche von Yama, dem König der Unterwelt, erzählten.

Hier gab es keine Ghule oder Richter. Dies war ein gesetzloser Ort, an dem sich Geister gegenseitig töteten, die Schwachen von den Starken verschlungen wurden, während die Starken auf die absorbierten Seelen angewiesen waren, um sich zu stärken und ihren spirituellen Körper in einen physischen Körper zu verwandeln.

Wenn sie Glück hatten und sieben Tage überleben konnten, konnten sie wiedergeboren werden. Wenn sie nicht wiedergeboren werden, sondern Zeit hinauszögern wollten, gab es nur einen anderen Weg: ein Geist-Kultivierender werden.

Man benötigte einhundert Jahre, um Knochen und Blut zu kultivieren und eintausend Jahre für Haut und Fleisch.

Jedes Jahr am fünfzehnten August war die Yin-Energie am stärksten und das Tor zum Geisterreich wurde geöffnet, sodass die Geister die Gelegenheit nutzen konnten, um in die Welt zurückzukehren.

Die Vergangenheit vergessen und wiedergeboren werden?

Wie könnte er das?!

Wenn all die Menschen in der Betrunkenen Taverne nicht gestorben wären und auch sein Kindermädchen noch am Leben wäre, hätte er sich vielleicht dazu entschieden, wiedergeboren zu werden, glücklich Yin Wuhuis Blutlinie abzulegen und im nächsten Leben als gewöhnlicher, unschuldiger Mensch wiedergeboren zu werden.

Nun wollte er jedoch Rache!

Mit einem hässlichen und widerlichen Körper und einer Identität, welche von jedem auf der Welt verachtet wurde, würde er seine Rückkehr feiern.

Neue Geister zu schikanieren war das ewige Vergnügen des Geisterreichs. Sie bewachten den Eingang und aßen eine Seele nach der anderen, sobald diese etwas schwächer war als sie, denn egal, wie klein und schwach eine Seele war, sie war dennoch nahrhaft.

Unerwarteterweise –

Ein klares Schwert durchdrang die Dunkelheit und das gleisendhelle Licht blendete die Augen unzähliger böser Geister.

Tausende von Geistern weinten und klagten zusammen!

Die uralten Geister, welche seit tausenden von Jahren im Geisterreich lebten, erkannten, dass ein mächtiges Individuum angekommen war. Es war kein gewöhnlicher Sterblicher, sondern ein Meister des Taoismus.

Darüber hinaus war dieser Meister des Taoismus nicht wie andere berühmte Kultivierende, sondern grausam und rücksichtslos. Seine Kraft war so stark und gnadenlos, dass er selbst Götter abwehren und töten konnte und niemand wagte es, ihn herauszufordern.

Gewöhnliche Geister würden selbst dann noch einhundert Jahre benötigen, um die Geist-Kultivierung zu erreichen, wenn sie alte Meister des Taoismus wären, aber diese neue Seele war anders.

Für die Kultivierung des Skeletts hatte er nur fünfzig Jahre benötigt und für sein Fleisch und Blut noch einmal zweihundert Jahre!

In weniger als dreihundert Jahren unterschied er sich mit Ausnahme ein paar weniger Stellen bereits nicht mehr von einem Menschen.

Die alten Geister hatten das Gefühl, dass ihre vorherigen Vermutungen alle falsch waren. Ursprünglich hatten sie gedacht, dass dieser Mann namens Hua Che zu Lebzeiten ein Kultivierender des unsterblichen Wegs gewesen war, aber seinem rücksichtslosen Verhalten nach zu urteilen, war er zu Lebzeiten vermutlich ein dämonischer Kultivierender gewesen.

In der Nacht des Geisterfestivals hatten sich alle bösen Geister zitternd am Ausgang des Geisterreichs versammelt.

Die böse Energie des Mannes kochte und starker Wind fegte durch die übrigen Wolken.  Wo auch immer er vorbeikam, verdorrte die Vegetation und einige Geister hatten sogar so große Angst, dass sie vergaßen zu fliehen. Sie wurden von dem bösen Wind erfasst, welcher von dieser Person ausging und verschwanden augenblicklich.

Schließlich trat der Mann durch das Tor des Geisterreichs und alle Geister jubelten.

Endlich war dieser böse Geist gegangen!




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2 Kommentare:

  1. Wie grausam in der Vergangenheit mit Hua Che umgegangen wurde, kein Wunder, dass er zum Dämonenkönig wurde

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    1. In ihrem letzten Leben wurde Hua Che wirklich schlimm behandelt. Ich wünschte, Chu Binghuan hätte damals an seiner Seite sein können, aber leider war ihm das nicht vergönnt worden. Sonst wäre sein früheres Leben sicher anders verlaufen...

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