Kapitel 16

Kapitel 16 ~  Hua Che schrie: „Kleiner Eiswürfel, sei nicht leichtsinnig! Er hat bereits für mindestens einhundert Jahre kultiviert!”


Als sie das Wort “Geist” hörten, bekamen sie alle Gänsehaut.

Nur Hua Che und Chu Binghuan blieben ruhig und entspannt.

„Das Geisterreich ist ein gesetzloser Ort, an dem es Kämpfe und Morde ohne Ende gibt. Wenn man dort länger als sieben Tage überlebt, besitzt man die Fähigkeit der Reinkarnation und kann den Kreislauf der Wiedergeburt betreten. Im Gegensatz dazu kann man jedoch auch von einem anderen Geist getötet und verschlungen werden”

„Wenn ein Geist aus dem Geisterreich entkommen und in das Reich der Sterblichen zurückkehren möchte, kann er das nur am fünfzehnten August machen. Außerdem muss er innerhalb diesen einen Tages einen physischen Körper mit seiner Kultivierung erschaffen oder den Körper eines lebenden Sterblichen stehlen, wenn er nicht möchte, dass seine Seele in kleine Teile zerbricht und sich verstreut. Sollte er das nicht schaffen, kann seine Seele in dem Reich der Sterblichen nicht überleben”

Als die anderen das hörten, waren sie alle wie benommen.

Hua Che fuhr fort: „Die Seele und das spirituelle Wissen eines Kultivierenden sind das beste Aufputschmittel für Geist-Kultivierende. Zuo Qis Glück ist wirklich schlecht. Dass er einem Geist-Kultivierenden begegnen würde, welcher gerade aus dem Geisterreich entkommen war...”

„Das...” Wen Yuan klappte der Mund auf. Er wirkte unglaublich geschockt. „Achter Shidi, warum weißt du so viel über Geist-Kultivierende?”

Hua Che erschrak. Erst jetzt bemerkte er, dass er zu viele Informationen preisgegeben hatte.

Von allen Richtungen wurden ihm Blicke zugeworfen, welche deutlich sagten “Du bist sehr verdächtig”. Hua Ches Gehirn lief auf Hochtouren, bis er schließlich zufällig eine Erklärung fand. „Das stand alles in dem Buch “Aufzeichnungen über die Geheimnisse des dämonischen Wegs” geschrieben. Das Buch steht in der Bibliothek des Meisters. Hat es denn keiner von euch gelesen?”

Mu Rongsa kaufte ihm das wirklich ab. „Warum sollte ich so etwas lesen wollen? Es ist ja nicht so, dass ich ein dämonischer Kultivierender werden möchte”

Hua Che entgegnete vage: „Kenne dich selber und kenne deinen Feind, um in jedem Kampf siegreich hervorzugehen. Es schadet nicht, wenn man es liest”

„In dem Buch stehen tatsächlich Aufzeichnungen, die das Geisterreich betreffen, aber woher weißt du, dass sich die Geister im Geisterreich für sieben Tage gegenseitig umbringen müssen, um zu überleben?”

Derjenige, der gesprochen hatte, war Chu Binghuan. Sein gelassener, aber tiefgründiger Blick war direkt auf Hua Che gerichtet.

„Wenn du es nicht mit eignen Augen gesehen oder am eigenen Leib erfahren hast, wie hättest du dann all die Details darüber herausfinden können?”

Panik stieg in Hua Che auf, als ihm diese Frage gestellt wurde. Chu Binghuan war wirklich sehr scharfsinnig und nur schwer zu täuschen.

Allerdings hatte Hua Che noch nie darin verloren, zusammenhangloses Zeug und Unsinn zu reden. „Du bist noch grün hinter den Ohren, was? Es gibt sehr viele inoffizielle Geschichtsaufzeichnungen. Was den Weg der Geister angeht, so weiß ich darüber viel mehr als du, kleiner Eiswürfel”

Chu Binghuan presste die Lippen zusammen. In seinen Augen spiegelte sich ein undefinierbarer Blick wider.

Hua Che ließ seinen Blick zu Lu Yao und den anderen schweifen. „Warum starrt ihr Löcher in die Luft? Habt ihr ein geisterauftreibendes Siegel?”

„Oh, haben wir” Überall an den Körpern der Schüler der unsterblichen Sekte Shang Qing konnten Schätze gefunden werden. Lu Yao holte etwa zwanzig geisterauftreibende Siegel hervor. Innerhalb eines Radius von fünfzig Kilometern konnte kein Geist-Kultivierender darauf hoffen, sich verstecken zu können.

Während sie der Spur aus Yin-Energie folgten, kamen sie zu einer kleinen Stadt. In dem Moment, in dem sie die Stadt betraten, hörten sie einen markerschütternden Schrei.

Wen Yuan und Lu Yao erhoben ihre Schwerter und rannten auf den Schrei zu. Mu Rongsa wollte auf keinen Fall zurückbleiben, weshalb er ebenfalls sofort losrannte, um sich dem Spaß anzuschließen.

Hua Che und Chu Binghuan blieben zurück und warteten. Ab und zu konnte man in der Ferne laute Geräusche vernehmen.

Plötzlich krachte ein schwarzer Schatten durch das Dach eines Hauses, während ihm Wen Yuan und Lu Yao dicht auf den Fersen waren.

Mu Rongsa rief zu Hua Che: „Schnell, halte es auf!”

Als das Wesen näherkam, konnte man erkennen, dass das, was erst wie ein schwarzer Schatten ausgesehen hatte, welcher von Kopf bis Fuß eine dunkle Aura ausstrahlte, in Wirklichkeit ein grässliches Skelett war.

Bevor sich Hua Che in Bewegung setzen konnte, eilte Chu Binghuan bereits nach vorne. Ting Quan war aus der Scheide gezogen und die Aura eines Unsterblichen brach durch den Himmel.

Chu Binghuan hatte ursprünglich gedacht, dass ein einziger Hieb genug wäre, um das Skelett entzweizuschneiden, aber seine Bewegung war unerwarteterweise von einer Kugel aus schwarzer Aura aufgehalten worden.

Hua Che schrie: „Kleiner Eiswürfel, sei nicht leichtsinnig! Er hat bereits für mindestens einhundert Jahre kultiviert!”

Das Gesetz des Himmels ist den Menschen gegenüber sehr tolerant, aber lehnte dämonische Tiere ab. Was Geister anging, so wurden diese überaus rücksichtslos behandelt.

Bei den Kultivierenden der dämonischen Tiere war es egal, ob ihre Kultivierung niedrig oder hoch war oder welchem Reich sie angehörten, sie mussten aller einhundert Jahre eine Prüfung des Himmels bestehen. Wenn sie Glück hatten und überlebten, konnten sie weiter kultivieren. Ansonsten wurden sie von dem Gesetz des Himmels vernichtet werden.

Ein Geist-Kultivierender war das, was von einem verstorbenen Kultivierenden übrigblieb. Nach einhundert Jahren war es ihnen möglich, Blut und Knochen zu kultivieren, während es eintausend Jahre dauern würde, um Fleisch und Haut zu erschaffen. Sie konnten in keines der sechs Reiche übergehen und wurden sowohl von der Erde als auch von dem Himmel auf keinen Fall toleriert.

Da dieser Geist-Kultivierende bereits ein Skelett kultiviert hatte, musste er bereits für mindestens einhundert Jahre kultivieren.

Die Aura von Chu Binghuans Schwert stürzte auf das Skelett zu, welches jedoch übermäßig leicht war und wie eine Feder in der Luft schwebte. Auf dem Wind reitend fing es an, direkt auf Hua Che zuzurasen.

Die Geschwindigkeit des Skeletts war so schnell, dass es Chu Binghuan vollkommen unvorbereitet zurückließ. Er ballte seine linke Hand zu einer Faust und eine lange, goldene Peitsche, welche Licht ausstrahlt und funkelte, stieg in die Luft. Nachdem Chu Binghuan etwas Kraft aufgebracht hatte, durchdrang die Peitsche den schwarzen Nebel und wandte sich rücksichtslos um die Taille des Skeletts.

Zur gleichen Zeit warf Hua Che einen spirituellen Blockierungsfluch auf das Skelett.

Für den Fall, dass der Blockierungsfluch einen Geist-Kultivierenden mit einer einhundertjährigen Kultivierung nicht kontrollieren kann, löste Chu Binghuan seine Peitsche nicht.

Neben Ting Guan hatte Chu Binghuan noch eine andere spirituelle Waffe namens ‘leuchtende Seele.

Diese Peitsche ist aus Drachenknochen hergestellt worden, welche mit den Barthaaren eines Drachen zusammengebunden wurden und leuchtete hell in goldenem Licht. Sie war das genaue Gegenteil von Ting Quan, welches rein und kalt war.

Das eine war wie Wasser, das andere wie Feuer. Eines glich Eis und das andere Flammen.

Obwohl ihre Kultivierungslevel nicht mit dem des Skeletts vergleichbar waren, konnte ihnen der Geist-Kultivierende nicht entkommen, wenn sie spirituelle Waffen zur Hand hatten.

Ein Geist-Kultivierender, welcher gerade einmal ein Skelett besaß, konnte jedoch nicht sprechen. Er konnte sich nur so sehr wehren, als würde sein Leben davon abhängen.

Hua Che fragte: „Warst du derjenige, der Zuo Qi getötet hat?”

„...”

„Wie lautet dein Name? Wer warst du vor deinem Tod?”

„...”

Hua Che legte sich seine Hände auf den Mund. „Hey hey hey, auch wenn du nicht sprechen kannst, kannst du noch immer schreiben. Weißt du nicht, wie du deine Hände benutzen kannst?”

Langnase rannte schnell zu ihnen und rief: „Wieso verschwendest du deine Zeit damit, mit ihm zu reden?! Ich will ihn zu der unsterblichen Sekte Shang Qing bringen, bevor er öffentlich verurteilt wird”

Der Geist-Kultivierende fing plötzlich an, sich stark zu wehren. Während seine Knochen gegen Shuo Sol rieben, erschienen langsam kleine Risse auf ihr.

Hua Che wirkte nachdenklich.

Nachdem Mu Rongsa und die anderen zurückgekehrt waren, sah Hua Che zu Wen Yuan und Lu Yao. „Ich habe das Gefühl, dass dieser Geist-Kultivierende euch absolut nicht ausstehen kann. Was haltet ihr davon, wenn ich mich einmal eine Weile alleine mit ihm unterhalte?”

„Das ist absurd!” Langnase war der Erste, der dagegen stimmte. „Warum möchtest du mit ihm reden? Und dann auch noch alleine? Was hast du vor?”

„Halt die Klappe” Mu Rongsa rollte mit den Augen. „Du bist nicht derjenige, der ihn gefangen hat, also können wir mit ihm machen, was auch immer wir wollen. Selbst, wenn du also dagegen bist, behalte es für dich!”

„Du-”, rief Langnase.

Wen Yuan zögerte etwas. „Achter Shidi, ist das nicht ... etwas zu gefährlich?”

„Er ist gerade gefesselt, also ist es nicht gefährlich. Selbst, wenn er irgendetwas machen möchte, kann ich doch später immer noch nach Hilfe rufen”, erwiderte Hua Che mit entspanntem Gesichtsausdruck. „Um Leute nicht zu Unrecht zu beschuldigen, müssen wir zulassen, dass sie ihre Schuld von selbst zugeben, richtig?”

„Schuld zugeben? Warum sollte man so etwas überflüssiges machen?” Der langnäsige Kultivierende kochte vor Wut. „Geist-Kultivierende und dämonische Kultivierende verdienen alle den Tod. Selbst, wenn die Sache mit Zuo Qi nicht passiert wäre, müssen Kultivierende wie wir, die dem unsterblichen Weg angehören, Dämonen und Geister auslöschen, sobald sie unseren Weg kreuzen!”

„Dämonische Kultivierende sind nicht alle blutrünstig und schlachten absichtlich Unschuldige ab. Manche dämonische Kultivierende sind mit sich zufrieden und provozieren niemals andere Menschen” Chu Binghuan, welcher bis gerade eben noch schweigend an der Seite gestanden hatte, sprach plötzlich in einem unvergleichlich ernstem Ton, so als würde er etwas schwören.

Er ignorierte die verblüfften Blicke der anderen und schob den Geist-Kultivierenden in einen Schuppen voller Brennholz. Danach sah er zu Hua Che und sagte: „Wenn es irgendwelche ungewöhnlichen Veränderungen gibt, ruf mich sofort”

Chu Binghuans Glaube daran, dass ‘die Welt jedem gehört’ sorgte dafür, dass Hua Che sich etwas benommen fühlte. Erst, nachdem er einen Moment neben der Spur gestanden hatte, ging er in den Schuppen.

Hua Che fing seine Befragung nicht sofort an. Stattdessen wartete er eine halbe Stunde auf dem Boden sitzend, während er den Geist-Kultivierenden mit hellen Augen anstarrte.

Dann winkte er einmal mit der Hand und errichtete somit eine Barriere, welche Stimmen vor der Außenwelt abschirmen konnte.

Er starrte den Geist-Kultivierenden weiterhin an.

Erst, nachdem eine weitere halbe Stunde vergangen war und er sah, dass der Geist-Kultivierende es beinahe nicht mehr aushielt, fragte er plötzlich: „Wie lautet dein Name?”

Der Geist-Kultivierende lehnte sich an das Feuerholz und reagierte nicht.

„Mein Name ist Hua Che und ich bin ein Schüler des Ling Xiao Tempels. Ich weiß nicht, wie viel Zeit seit deinem Tod vergangen ist. Hast du schon einmal von dieser Sekte gehört?”

Das Skelett hatte keine Augen, sondern nur zwei schwarze Löcher, weshalb man nicht erkennen konnte, ob es Freude, Wut oder Kummer empfand.

Nach einiger Zeit hob der Geist-Kultivierende seine knöcherne Hand und schrieb in die Luft: Hast du gar keine Angst vor mir?

Ein sechzehn oder siebzehn Jahre alter Teenager hatte tatsächlich keine Angst vor einem Geist-Kultivierenden.

Obwohl Dämonen und dämonische Tiere überaus bösartig waren, besaßen sie zumindest ein wunderschönes Aussehen. Geist-Kultivierende stanken nach Blut und waren dazu noch äußerst hässlich.

Sie benötigten einhundert Jahre, um ein Skelett zu kultivieren und weitere eintausend Jahre, um Fleisch und Haut zu formen. Ausgehend von ihrem Herzen kultivierten sie nach und nach mehr Fleisch, weshalb sie so aussahen, als wären sie von wilden Tieren angeknabbert worden. Am ganzen Körper fehlten hier und dort ein paar Hautstückchen, weshalb Geist-Kultivierende sowohl furchterregend als auch ekelhaft aussahen.

„Wovor sollte ich Angst haben?”

Klares, frisches Mondlicht fiel durch das Fenster. Hua Ches normale, unauffällige Augen reflektieren das Licht und ließen es kalt und klar wirken.

„Ich war ebenfalls einst ein Geist-Kultivierender."

 

 

 

Erklärungen:

Die sechs Reiche sind: Das Reich der Götter, das Reich der Menschen, das Reich der Halbgötter, das Reich der Tiere, das Reich der hungrigen Geister und das Reich der Hölle.

Wenn man leuchtende Seele ins chinesische zurückübersetzt bekommt die Waffe später ihren Namen ‘Shao Hun’.




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2 Kommentare:

  1. hua weis ja ziemlich viel fast hätte er sich verraten. doch er hatte glück das im das einviel. sie haben also ein skelett gefunden. jetzt sitzen die beiden ziemlich lange schon im schuppen. das skelett hat eine gute ftrage gestellt aber die antwort von hua hat mich überrascht. oder kommt es daher weil er mal ein dämonenkönig war im anderen leben. freu mich wenns weiter geht.

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    1. Es war wirklich Glück, dass er nicht aufgeflogen ist. Ich frag mich ja, wann Chu Binghuan das Buch gelesen hat, von dem Hua Che gesprochen hat. Wenn er weiß, was darin geschrieben steht, muss er es ja wenigstens mal in der Hand gehabt haben.
      Was Hua Ches Antwort angeht, so bin ich mir da nicht sicher. Einerseits kann es zwar gut möglich sein, dass er vor seiner Wiedergeburt ein Geist-Kultivierender war, andererseits ist es auch gut möglich, dass er sich diese Antwort nur ausgedacht hat, um das Skelett zum Reden zu bringen 🤔. Aber vielleicht kommt im Verlauf der Geschichte ja noch genaueres raus.

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