Kapitel 39 ~ „Hör auf zu reden” Hua Ches schmale Brauen zuckten leicht. „Ich habe mich entschieden”
„Was?” Frau Jiang wusste nicht, was sie sagen sollte.
„Ich bin nicht betrunken und ich habe das auch nicht nur
nebenbei gesagt”, entgegnete Hua Che. „Nachdem ich nun zurückgekommen bin,
möchte ich nicht mehr zum Ling Xiao Tempel gehen”
„Warum?” Als Frau Jiang wieder zur Besinnung kam, fragte sie
ungläubig: „Ist der Ling Xiao Tempel schlecht oder behandelt Euch Euer Meister
nicht gut? Vertragen sich Eure Shixiongs nicht? Ihr habt Euch in der
Kultivierung sehr gut gemacht, also warum wollt Ihr aufhören? Ich kenne Euer
Temperament. Ihr müsst etwas unschönes in der Sekte erlebt haben. Wenn Ihr es
ertragen könnt, ertragt Ihr es. Könnt Ihr es nicht ertragen, sucht Ihr nach
einem Weg, das Problem zu lösen. Wie könnt Ihr einfach die Sekte Eures Meisters
verlassen? Habt Ihr Herrn Zhuang gesagt, weshalb Ihr aufhören wollt? Hängt es
mit Herrn Chu zusammen? Versucht Ihr ihm aus dem Weg zu gehen?”
Hua Che war sprachlos.
Er hatte lange darüber nachgedacht, bevor er seinem
Kindermädchen von seiner Entscheidung erzählt hatte und keineswegs erwartet,
dass sie einen Wörterhagel auf ihn niederprasseln lassen würde. Es dauerte
einen Moment, bis er seine Stimme wiederfand und seine Augenbrauen zuckten.
„Nun, welche Frage soll ich zuerst beantworten?”
Frau Jiang wurde ernst. „Ihr dürft nicht zu voreilig handeln
oder Unsinn reden, wenn Ihr betrunken seid!”
„Ich habe bereits gesagt, dass ich diese Entscheidung
bewusst getroffen habe”, entgegnete Hua Che. „Du kennst mich. Niemand kann mich
davon abbringen, wenn ich etwas beschlossen habe. Ich werde in zwei Tagen eine
Nachricht an den Ling Xiao Tempel senden und...”
„Auf keinen Fall!”, unterbrach ihn sein Kindermädchen streng
und starrte Hua Che mit einem Paar alter, gelber Augen an. „Junger Herr, habt
Ihr vergessen, warum Ihr überhaupt erst zum Ling Xiao Tempel gegangen seid?”
„Meinst du damit, dass ich mein Leben verlängern wollte?”
Hua Che verzog seine Lippen zu einem Lächeln, während er zu dem hellen Mond und
der klaren Brise sah. “Durch mein aktuelles Kultivierungslevel besitze ich eine
Lebenserwartung von mindestens dreihundert Jahren”
Frau Jiang gab jedoch nicht nach. “Junger Herr, warum sagt
Ihr mir nicht die Wahrheit? Hat es etwas... mit Herrn Chu zu tun? Als ich
hörte, dass er mit Euch zum Ling Xiao Tempel gegangen ist, war ich geschockt.
Versucht Ihr, ihm aus dem Weg zu gehen?”
Hua Ches Augen verdunkelten sich leicht. „Das hat nichts mit
ihm zu tun”
Sein Kindermädchen hatte noch immer das Gefühl, dass etwas
nicht stimmte. „Könnte es... wegen Frau Mei sein?”
„Hä?” Hua Che war fassungslos.
„Hat Frau Mei Euch gebeten, zu gehen?”, fragte Frau Jiang
wütend. „Sie wollte nicht, dass Ihr Kontakt mit Herrn Chu habt. Sie hat gesagt,
dass Herr Chu nicht auf sie hören würde, weshalb sie keine andere Wahl hätte,
als mit Euch zu reden!”
Hua Che wusste nicht, was er sagen sollte.
Hatte sein Kindermädchen nicht eine etwas zu blühende
Vorstellungskraft?
„Es hat nichts mit Yuntian Shuijing zu tun, als hör bitte
auf, daran zu denken” Hua Che stand auf. Er hatte das Gefühl, dass die Luft in
dem Raum stickig war, weshalb er zum Fenster ging, um es zu öffnen. Frischer
Nachtwind strömte zusammen mit Frost und Schnee hinein und ließ die Röte auf
Hua Ches Wangen verblassen, welche verdeutlicht hatte, dass er leicht
angerunken war.
Plötzlich kam Frau Jiang schnell auf ihn zu und kniete sich
mit aufrechten Oberkörper auf den Boden.
Das traf Hua Che komplett unvorbereitet und er war
geschockt. Er wollte seinem Kindermädchen beim Aufstehen helfen und sagte
fassungslos: „Was machst du da?”
Frau Jian kniete jedoch weiterhin regungslos auf dem Boden.
„Junger Herr, tut Ihr das für mich?”
Hua Ches Lippen zitterten und er half seinem Kindermädchen
beim Aufstehen, während er ihr den Staub von den Knien klopfte. „Denke nicht
solch einen Unsinn”
„Denke ich Unsinn oder verbergt Ihr etwas vor mir, junger
Herr?” Sein Kindermädchen lächelte bitter. „Ich habe Euch aufwachsen sehen,
seit Ihr ein Baby wart. Denkt Ihr wirklich, ich weiß nicht, was in Eurem Kopf
vor sich geht?”
Als Hua Che mitbekam, dass er durchschaut worden war, geriet
er in Panik und fühlte sich hilflos.
Frau Jiang schloss die Augen und sagte: „Ein Jahr in den
Bergen entspricht eintausend Jahren auf der Welt der Sterblichen. Junger Herr,
Ihr habt in den Bergen kultiviert und konntet Euch deshalb nicht um mich,
welche in der Welt der Sterblichen lebt, kümmern. Selbst wenn ich mich bester
Gesundheit erfreue, werde ich höchstens noch dreißig Jahre leben. Ihr könnt als
Kultivierender jedoch noch einhundert, wenn nicht sogar eintausend Jahre leben.
Unsere Lebenserwartung ist von Natur aus ungleich. Wenn Ihr Euch außerdem für
die Kultivierung zurückziehen wollt, bin ich vielleicht schon...”
Hua Ches Herz zog sich zusammen.
Frau Jiang fuhr fort: „Die Sekte hat viele Regeln. Schüler
dürfen nicht nach Belieben hinausgehen. Wenn mir hier etwas zustößt, würde es
sehr, sehr lange dauern, bis Ihr die Nachricht erhaltet und noch länger, bis
Ihr hier ankommen würdet”
„Hör auf zu reden” Hua Ches schmale Brauen zuckten leicht.
„Ich habe mich entschieden”
„Junger Herr” Frau Jiang Augen waren voller Trauer. „Wenn
Euer Erfolg wegen Eurer Beziehung zu mir behindert wird, verdiene ich es
wirklich, zu sterben!”
„Was redest du da?”, seufzte Hua Che hilflos. Schließlich
lächelte er elegant und fröhlich. „Ich werde vorerst einfach nicht zurück zur
Sekte gehen. Es ist ja nicht so, dass ich von der Sekte ausgeschlossen wurde
und nicht mehr zurückkehren kann. Mit meinem eigenen Verständnis kann ich noch
immer große Kraft erreichen, ein Pferd reiten und den Staub aufwirbeln.
Außerdem kann ich mich bis zum Ende deines Lebens um dich kümmern”
Frau Jiang schüttelte stur den Kopf. „Ich erinnere mich
daran, dass der Meister einen Monat, nachdem der Schüler in die Sekte
eingetreten ist, diesem befiehlt, den Berg hinunterzugehen und in die Welt der
Sterblichen zurückzukehren, um eine Pause einzulegen. Oberflächlich betrachtet
ist es nur eine Rückkehr in die Heimat, um Verwandte zu besuchen, aber in
Wirklichkeit ist diese Reise dafür da, um weltliche Bindungen abzulegen”
Hua Che erschrak. „Wo hast du das gehört?”
„Von dem kleinen, dicken Jungen aus der Familie von Witwe
Wang, welche am Anfang der Oststraße wohnt. Er ist ebenfalls ein
Kultivierender”
Hua Che konnte darauf nichts erwidern.
„Wenn Ihr das Schicksal der Welt nicht loslassen könnt, wie
könnt Ihr dann ein Unsterblicher werden?” Es kam sehr selten vor, dass sich
Frau Jiang wie eine alte, weise Frau benahm, um Hua Che zu belehren. „Jeder ist
dazu bestimmt zu sterben und auch Kultivierende können sich nicht vor dem
Himmel verstecken. Der einzige Unterschied liegt darin, dass manche früher und
andere später gehen. Junger Herr, Ihr seid bereits ein Unsterblicher, dessen
Lebenszeit weit über die eines Sterblichen hinausgeht. Warum sollte ich das
Prinzip von Leben und Tod nicht verstehen? Wenn Ihr meinetwegen Eure eigene
Zukunft hinauszögert, werde ich morgen von hier weggehen und mich an einem Ort
verstecken, an dem Ihr mich auf keinen Fall finden könnt!”
Sein Kindermädchen war so wütend, dass sie nach Luft
schnappen musste. Hua Che hob schnell kapitulierend die Hände und half ihr
dabei, sich hinzusetzen, bevor er beruhigend auf sie einredete. „Du bist so alt
und wirst dennoch noch so wütend. Ich war im Unrecht, also sei nicht wütend,
sei nicht wütend”
Frau Jiang wurde rot im Gesicht und sagte wütend: „Ihr
täuscht mich schon wieder!”
„Diesmal lüge ich wirklich nicht! Ehrlich!” Hua Che sah sie
aufrichtig an und schwor beinahe zum Himmel.
Stur rief Frau Jiang: „Morgen geht Ihr auf der Stelle zum
Ling Xiao Tempel zurück!”
Hua Che fühlte sich etwas erschöpft. „Wie soll das gehen?
Ich muss über Neujahr Zuhause bleiben, um das neue Jahr mit dir zu feiern.
Außerdem hat uns unser Meister befohlen, dass wir uns am dreizehnten Tag des
ersten Mondmonats in der Ye You Präfektur treffen”
Frau Jiang war erneut misstrauisch und bekam das Gefühl,
dass Hua Che viele Geheimnisse vor ihr hatte.
Hua Che war sowohl wütend als auch amüsiert. Er kniete sich
auf den Boden und legte seinen Kopf auf die Knie von Frau Jiang, so wie er es
als Kind getan hatte und gab vor, bemitleidenswert zu sein. „Ich ertrage es
nicht, dich zu verlassen. Ich möchte noch ein paar Jahre bei dir bleiben. Ich
werde am elften Tag des ersten Mondmonats gehen, aber nicht lange wegbleiben,
okay?”
Frau Jiang musste lachen als sie sah, dass Hua Che sich wie
ein kleines Kind benahm.
Hua Che drängte sich nach vorne und sagte: „Ich würde gerne
Teigtaschen essen”
„Okay” Sein Kindermädchen lächelte und berührte sanft Hua
Ches Kopf. „Ich werde sie für Euch kochen”
Hua Che sprang auf und folgte Frau Jiang in die Küche. „Ich
werde dir helfen!”
Frau Jiang zeigte ihm, wie er vorgehen musste und obwohl Hua
Che ein Anfänger war, gelang es ihm dennoch, die Teigtaschen auf anständige
Weise zuzubereiten und Frau Jiang war sehr zufrieden.
Als die Teigtaschen in dem Topf gegeben wurden, waren sie
rund und weiß. Hua Che bereitete die Knoblauchpaste vor und fügte Essig hinzu,
aber gerade als er die Teigtaschen aus dem Topf genommen hatte, klopfte es an
der Tür.
Er stand auf und sagte: „Iss du zuerst. Ich gehe nachsehen,
wer das ist”
Es sollte niemanden geben, der an Neujahr in das Restaurant
kommt. Vielleicht war es ein Nachbar, welcher irgendetwas von Frau Jiang
wollte. Hua Che dachte nicht viel darüber nach, zog den Riegel hoch und öffnete
die Tür. Draußen stand ein junger Mann.
„Taoistenfreund Hua, lange nicht gesehen!”, begrüßte ihn ein
junger Mann mit einem strahlenden Lächeln.
„Du bist...”, entgegnete Hua Che.
„Nenn mich einfach Xiao Pang. Meine Familie wohnt am Anfang
der Oststraße”, erwiderte der junge Mann lächelnd. „Ich habe dich beim
Wanmen-Kampfsportturnier gesehen, bin aber leider bereits in der ersten Runde
ausgeschieden, weshalb ich keine Gelegenheit hatte, dich zu begrüßen. Die Welt
der Unsterblichen ist sehr groß, weshalb es nicht einfach ist, jemanden zu
finden, der aus dem gleichen Dorf kommt. Ich kultiviere übrigens in der Ye You
Präfektur und mein Meister ist Xie Wanting”
Hua Che grüßte ihn schnell. „Oh, du bist der Schüler von
Sektenführer Xie. Entschuldige bitte, dass ich dich nicht erkannt habe”
„Das liegt nur daran, dass ich dich nicht treffen konnte,
Taoistenfreund Hua”, erwiderte Xiao Pang.
Hua Che fragte: „Weshalb bist du zu Neujahr
hierhergekommen?”
Xiao Pang lächelte und antwortete: „Ich habe jemandem den
Weg gezeigt. Ein Onkel hat mich gefragt, wo “Hua Che, Hua Qingkong” wohnt und
ich habe ihm gesagt, dass du im “Lao
Jiang Nudelrestaurant” am Westsee wohnst, aber er wusste
nicht, wie er hierher gelangen konnte. Ich denke, dass wenn ein Unsterblicher
die Welt der Sterblichen betritt, er glücklich sein sollte, wenn er denjenigen
in Not helfen oder sie retten kann. Deshalb habe ich ihn extra hergebracht”
„Du hast nach mir gesucht?” Hua Che sah nach links und
recht, aber bevor er diese Person finden konnte, war die seltsame und
unheimliche Aura bereits eingetroffen.
Plötzlich erzitterte Hua Ches Herz und seine Augen waren
voller Angst. Er zerrte Xiao Pang ins Haus und schloss die Tür hinter sich.
Xiao Pang traf das vollkommen unvorbereitet und er wäre
beinahe hingefallen. „Was ist los, Taoistenfreund Hua?”
Hua Ches Gesichtsausdruck war ernst und seine Augen
erschreckend kalt. „Mein Kindermädchen befindet sich im Hinterhof. Die
Teigtaschen wurden gerade aus dem Topf genommen. Geh und iss etwas mit ihr.
Außerdem darfst du nicht herkommen, egal was du hörst. Bitte habe für mich ein
Auge auf mein Kindermädchen”
„Hä?” Xiao Pang wusste nicht, wie er darauf reagieren
sollte.
„Geh schnell!”
„Okay, okay, okay” Der kleine, dicke Mann rannte schnell zum
Hinterhof und Hua Che errichtete eilig eine Barriere, welche den gesamten
Eingangsbereich absperrte. Kein Sterblicher konnte hören, was darin vor sich
ging, geschweige denn hereinkommen.
Genau in diesem Moment erklang ein dumpfes Klopfen an der
Tür.
Hua Che schwieg.
Einen Moment später klopfte es erneut an der Tür.
Hua Che gab sein Bestes dabei, seinen Geist zu beruhigen und
seine Stimme weniger steif klingen zu lassen. „Wir haben geschlossen. Bitte
kommen Sie morgen früh wieder!”
Auf einmal erklang ein kaltes und unheimliches Lachen von
draußen. Gleichzeitig wurde die Tür gewaltsam aufgebrochen. Die hohle Holztür
fiel augenblicklich auseinander und zersprang in Stücke.
„Mein Sohn, du bist wirklich hier”
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Oh je, hat sein Vater ihn doch schon jetzt gefunden und nicht erst, wie im letzten Leben, nach dem dritten Sieg im Kampfsportturnier. Ich bin gespannt, wie es jetzt mit Vater und Sohn weitergeht.
AntwortenLöschenJa, Hua Che hat es mal wieder geschafft, für zu viel Aufsehen zu sorgen. im Rampenlicht zu stehen ist halt nicht immer von Vorteil. Yin Wuhui hat auf jeden Fall vor, Hua Che nicht einfach so in Ruhe zu lassen. Manchmal könnte man schon das Gefühl haben, dass er von Hua Che besessen ist... wobei das vermutlich eher daran liegt, dass Hua Che seiner Mutter sehr ähnlich sieht.
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